Geschichte

Die Geschichte von Amikejo

 

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Was ist denn Amikejo, dieses geheimnisvoll klingende Wort? Amikejo ist keine Legende, sondern war einst gelebte Utopie, welche die Geschichtsschreibung beinahe wieder vergessen hätte, wären in den vergangenen Jahren nicht ein paar wichtige Publikationen und journalistische Berichte dazu erschienen. 1 Amikejo war eigentlich das Resultat einer politischen Pattsituation beim Wiener Kongress 1815: nach dem Ende der Napoleonischen Kriege war weder Preussen noch die Niederlande bereit, einen Krieg um das umstrittene Gebiet mit einer damals äußerst begehrten Zinkgrube, einer Fläche von von dreieinhalb Quadratkilometern zu beginnen, weshalb man es in die neutrale Unabhängigkeit entliess. „Neutral-Moresnet“, wie das Gebiet auch genannt wurde, wurde kommissarisch verwaltet und bestand von 1816 bis 1919 als kleinstes souveränes Gebiet friedlich jenseits der Nationalstaaten. Anfangs nur als Übergangslösung gedacht hielt sich diese Situation ein ganzes Jahrhundert. 1907 wurde Neutral-Moresnet auch als Esperanto-Republik ausgerufen und war von da an zudem unter dem Namen Amikejo als „Ort der Freunde“ bekannt. Esperanto wurde an der Schule unterrichtet und ist die von Ludwig Lejzer Zamenhof 1887 veröffentlichte Plansprache, deren Absicht eine leicht erlernbare, neutrale Sprache für die internationale Verständigung war.2 Ein Jahrhundert lang existierte Frieden jenseits der Nationalstaaten, der die Nationalstaaten wiederum in Frieden hielt.

 

Auf der Suche nach Amikejo, A_17
Auf der Suche nach Amikejo, Dreiländerpunkt

 

Der Ort Kelmis ist heute in Belgien, zwischen Aachen, Maastricht und Liége

(heute eine "Euregion") gelegen.

Die wichtigsten Zink-Erze, die in Moresnet abgebaut und verhüttet wurden,

waren Zinkblende und Galmei. Im deutsch-belgischen Grenzgebiet war für

Galmei der mundartliche Ausdruck „Kelmis“ weit verbreitet, der sich auch in der Bezeichnung des im Gebiet des Altenberges gelegenen Ortes gleichen Namens widerspiegelt. Der französische Ausdruck „Calamine“ wurde als international übliche Bezeichnung für Galmei übernommen. Entsprechend trägt der Ort Kelmis in der französischen Variante den Namen La Calamine. Der Tagebau ist noch in den Steinhäusern und manchen Zinkverblendungen des Ortes Kelmis sichtbar, wie auch in schwarzen Schlacken in der Erde am sogenannten Casinosee, der für die Kühlung der glühenden Schlacken entstand. Das Heimatmuseum Röhltal zeigt die Geschichte des Bergbaus, der Grenzziehung und der 28 Grenzsteine, wie auch den politischen Unabhängigkeitswillen mit Fotos der Esperantisten, eigenen Briefmarken und einer Hymne.

 

Amikejo ist also Diskrepanz und Durchdringung. Das Vielfalt mehr liebt als Einheitlichkeit, Selbstbestimmung mehr als Bürokratie, das

Diskrepanz aushält und gegenseitige Durchdringung ermöglicht. Ein Ort der einfach Raum gibt, ein Raum zum Atmen, zum Bewegen,

um neue Wege freizulegen und neue Horizonte zu eröffnen. Amikejo als Zeichen einer möglichen Utopie die es in Europa schon einmal gab und daher eigentlich weniger weit von einer Utopie entfernt ist als vielleicht angenommen.

Auf der Suche nach Amikejo, A_5
Auf der Suche nach Amikejo, A_55

1 Neal Ascherson, "Das große und das kleine Glück Europas", in Le Monde diplomatique, Nr. 9776, 13. April 2012

2 Catherin Hug zur Ausstellung: "Europa, Die Zukunft der Geschichte", Kunsthaus Zürich, Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2015

Bilder: Valeska Peschke, aus der 01-80 Diaserie "Auf der Suche nach Amikejo", 2012-2015

Vaalsberg A_04/Dreiländerpunkt A_26/Schild Neutral-Moresnet A_17/Zinkmine, Ausschnitt Ölgemälde A_54/ Zinkblende , Gröltal Museum A_55

Journalist Neal Ascherson über Amikejo

 

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